NEIN zur Verschlechterung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen!
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Abend- und Sonntagsarbeit gegen den Willen des Volks eingeführt
Die am 14. Oktober durch den Grossen Rat des Kantons Freiburg verabschiedete Revision des HAG ermöglicht die allgemeine Einführung der Abendarbeit (Montag bis Samstag bis 21 Uhr) und der Sonntagsarbeit in den so genannten Tankstellenshops. Zulässig wird auch der Verkauf von alkoholischen Getränken in diesen Shops. Im Jahr 2003 hat die Bevölkerung des Kantons Freiburg eine beinahe identische Vorlage abgelehnt, doch die Parlamentarier kümmern sich nicht um den Willen des Volks.
Ein massgeschneidertes Gesetz für Erdölunternehmen und Detailhandelsketten
Von diesem Gesetz werden in erster Linie die wichtigsten Eigentümer der Shops profitieren: die Erdölkonzerne Total, Shell, BP und Esso sowie die Detailhandelsriesen Coop und Migros. Das neue HAG wird es ihnen erlauben, die in den Shops liegenden Profitmöglichkeiten maximal auszuschöpfen. Es handelt sich um einen lukrativen Markt: zwischen 1997 und 2003 ist die Zahl der Shops in der Schweiz um 7% angewachsen. Die Zahl der Shops mit einer Verkaufsfläche von über 50 Quadratmetern ist um 80% angestiegen. Dabei handelt es sich inzwischen um richtige "kleine Supermärkte": 2004 haben die grossen Besitzer solcher Shops mehr Profite mit Verbrauchs- und Konsumgütern als mit Benzin erzielt. Der jährliche Umsatz dieser Shops erreicht beinahe eine Milliarde Franken. Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs? Ungesicherte, extrem flexible Beschäftigung, tiefe Löhne und Kunden, die viel zu hohe Preise bezahlen: Wichtige Konsumgüter kosten hier im Durchschnitt ein Drittel mehr als in den Supermärkten. Das Wachstum der Tankstellenshops an den Stadträndern hat auch Auswirkungen auf der Ebene der Raumplanung: Es fördert das Autofahren ebenso wie das Aussterben der kleinen Quartiergeschäfte.
Ein Schritt in Richtung allgemeine Sonntags- und Abendarbeit
Die Revision des HAG ermöglicht es den grossen Detailhandelsketten und Erdölkonzernen, ihre Profite noch mehr zu erhöhen, indem sie das Personal in den Shops abends und sonntags zu arbeiten zwingen. Doch das ist nur der erste Schritt: Die Detailhandelsunternehmen fordern seit Jahren eine grenzenlose Flexibilität der Ladenöffnungszeiten. Nach mehreren Abstimmungsniederlagen haben sie ihre Strategie geändert: Heute versuchen sie Löcher in die kantonalen und eidgenössischen Gesetze zu schlagen, auf die sie sich später zu Gunsten einer allgemeinen Liberalisierung stützen wollen. In den Augen der Unternehmen ist die Sache mit den Shops nur ein Schritt in Richtung der allgemeinen Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten auf Abende und Sonntage, auf kantonaler wie auf Bundesebene. Im Kanton Freiburg hat der durch die Liberalisierung der Öffnungszeiten der Shops ausgelöste "Dominoeffekt" bereits eingesetzt. Die Direktion der Biolley-Supermärkte hat entschieden, das Geschäft in Givisiez auch an den Sonntagen zu öffnen. Die Direktion, die sich ansonsten übrigens gegen die Öffnung der Läden an Sonntagen ausspricht, begründet diesen Entscheid mit der Konkurrenz durch zwei nahe gelegene Tankstellenshops! Auf Bundesebene hat das Parlament eine Motion angenommen, welche die Sonntagsarbeit in allen Geschäften erlaubt, die sich in den Bahnhöfen (oder in der Nähe von Bahnhöfen) befinden. Und der Staatsrat hat kürzlich eine Motion verabschiedet, die darauf abzielt, erweiterte Möglichkeiten für Sonntagsarbeit in allen Geschäften zu schaffen…
Die Verkäuferinnen sind von der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in den Shops, den Bahnhöfen und in anderen Geschäften am meisten betroffen. Aber die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten wird dazu führen, dass die Zulieferbetriebe, die Unterhalts- und Reinigungsfirmen, die Post und die Banken nachziehen müssen. Und das folgende Argument wird die Runde machen: Wenn die einen solche Arbeitszeiten ertragen können, weshalb denn die anderen nicht? Deshalb sind sämtliche Lohnabhängigen von einer solchen Entwicklung betroffen.
Längere Öffnungszeiten: Flexibilität ohne zusätzliche Arbeitsplätze
Die Befürworter der Liberalisierung behaupten, dass durch längere Öffnungszeiten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dieses Argument ist falsch. In verschiedenen Kantonen sind Studien durchgeführt worden, die aufzeigen, dass durch längere Öffnungszeiten keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Im Tessin hält ein Bericht des Finanz- und Wirtschaftsdepartements fest: "Unter dem Verkaufspersonal ist die Ablehnung der Massnahme (Öffnung der Geschäfte am Donnerstag bis um 22 Uhr) sehr deutlich, denn die am Donnerstagabend arbeitenden Beschäftigten erhalten nicht alle eine Entschädigung für diese Arbeitszeit. Dies bestätigt die Untersuchung. Die Öffnung am Abend zeitigte keine nennenswerte Auswirkung auf den Arbeitsmarkt: in der Zeit ihrer Umsetzung wurde kein einziger Arbeitsplatz geschaffen." Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten bringt dem Personal keine Vorteile und schafft keine Arbeitsplätze, sondern führt zur Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Tausenden von Lohnabhängigen.
Tausche Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gegen Flexibilität… zu Lasten des Personals
Nach dem Abschluss eines GAV für das Personal der Tankstellenshops haben die Gewerkschaften im Kanton Freiburg entschieden, das revidierte HAG nicht zu bekämpfen. Diese Logik akzeptieren wir nicht. Ausser dem 13. Monatslohn bringt dieser GAV dem betroffenen Personal keine Verbesserungen. Nur Personen, die zu mindestens 70% angestellt sind - eine kleine Minderheit! - sollen einen festen Monatslohn haben. In den allermeisten Fällen liegen die Löhne weiterhin unter 3'000 Fr. netto (auf Vollzeit gerechnet) und werden nur in einer jährlichen Vereinbarung geregelt, die ohne weiteres wieder in Frage gestellt werden kann. Einen Zuschlag von 25% für zusätzliche (über die Regel hinaus gehende) Abendarbeit werden nur Personen erhalten, die im Monatsdurchschnitt mehr als vier Abende pro Woche arbeiten - also so gut wie niemand. Für die Sonntagsarbeit ist überhaupt kein Zuschlag vorgesehen. Schlimmer noch: Durch die Einführung der Jahresarbeitszeit verstärkt der GAV sogar noch die im HAG vorgesehene Flexibilisierung. Die Beschäftigten können in diesem Kuhhandel zwischen einem GAV und einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten also nur verlieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass dieser GAV nur das Personal der Shops erfasst (etwa 150 bis 200 von insgesamt 4'600 Läden im Kanton), obwohl doch mittelfristig die Arbeitsbedingungen aller Lohnabhängigen in dieser Branche gefährdet sind.
Bei der Revision des HAG geht es um die Frage: Welche Gesellschaft wollen wir?
Die zunehmende Ausbreitung von Abend- und Sonntagsarbeit durch das HAG ist nur ein Teil einer allgemeinen Infragestellung aller Grenzen, die der Ausbeutung der Arbeitskraft gesetzt sind. Die Lage des Personals der Tankstellenshops - tiefe Löhne, Teilzeitarbeit, extreme Flexibilität - soll zum Schicksal der allermeisten Lohnabhängigen in der Schweiz werden, wenn es nach dem Willen der Unternehmer geht. Beim HAG geht es also nicht nur um die Ladenöffnungszeiten, sondern auch um die Frage, welche Gesellschaft wir haben wollen. Die Lohnabhängigen verlieren immer mehr die Kontrolle über ihre Arbeitszeit. Sie sollen - oft zu tiefen Löhnen - am Tag und in der Nacht arbeiten, unter der Woche und am Wochenende. Die für das Familienleben und das soziale Leben ausserhalb der Arbeitszeit so wichtigen gemeinsamen Momente des Erholens und Zusammentreffens werden zerstört. Beschäftigte, die Tag und Nacht an sieben Tagen der Woche zu Diensten stehen, um die Gewinne der milliardenschweren Grossunternehmen zu sichern: So sieht das Gesellschaftsmodell aus, das der Grosse Rat durch die HAG-Revision gutgeheissen hat. Wer wie wir diese Vorstellung von Gesellschaft ablehnt, muss zu folgendem Schluss kommen:
Es ist notwendig, das Referendum gegen die Revision des HAG zu unterzeichnen und Unterschriften dafür zu sammeln!
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